
Am Montagmorgen wurde die Kunstwelt von einer bedeutenden Einigung in Krefeld überrascht. Unter Zuhilfenahme umfangreicher Provenienzforschung und vertraglicher Verhandlungen gelang es, ein herausragendes Werk des rheinischen Expressionismus für ein Museum zu sichern. Das betroffene Gemälde, „Wirtshaus“ von Heinrich Campendonk, datiert aus dem Jahr 1917 und wertet die Sammlung der Kunstmuseen Krefeld enorm auf.
„Wirtshaus“ gilt als eines von Campendonks herausragenden Werken. Es repräsentiert eine ästhetisch spannende Phase in der Entwicklung des Künstlers. Ursprünglich von Alfred Hess, einem prominenten Fabrikanten und Kunstsammler, besessen, kam das Gemälde 1937 unter Druck in der Zeit des Nationalsozialismus in den Besitz des Kölnischen Kunstvereins. Bei der Übernahme des Werkes nach dem Krieg lagen jedoch keine Informationen zur Provenienz vor, was die Wiedergutmachung komplizierte.
Rückgabe und Rückkauf
Nach intensiven Gesprächen wurde entschieden, das Gemälde von den Erben der jüdischen Großfamilie Hess zurückzugeben und zugleich rückzukaufen. Diese Einigung wurde in Kooperation mit dem Bund, dem Land Nordrhein-Westfalen und der Kulturstiftung der Länder erreicht. Die konkrete Höhe der Kaufsumme bleibt geheim.
Alfred Hess, der eine bedeutende Sammlung expressionistischer Kunst in Deutschland aufbaute, hinterließ nach seinem Tod 1931 das Erbe seinem Sohn Hans Hess. Dieser emigrierte 1933 nach Frankreich und später nach London. Währenddessen blieben Teile der Kunstsammlung unter der Obhut von Thekla Hess, die ebenfalls nach England floh. Der Drang, Kunstwerke zu veräußern, war in dieser Zeit für die Familie Hess eine traurige Notwendigkeit, um die Lebensgrundlage zu sichern.
Das Gemälde „Wirtshaus“ wurde 1937 vom Kölnischen Kunstverein entgegengenommen, jedoch erklärte dieser 1947, dass viele gelagerte Werke nicht mehr vorhanden seien. Es stellte sich heraus, dass einige von diesen Kunstwerken unter der Hand verkauft wurden. Schließlich bot 1948 der Kölner Kunsthändler Werner Rusche das Campendonk-Bild dem Kaiser Wilhelm Museum in Krefeld zum Kauf an.
Provenienzforschung und gesellschaftliche Verantwortung
Die Rückgabe und der Rückkauf des Gemäldes werden von NRW-Kulturministerin Ina Brandes als „faire und gerechte Lösung“ im Sinne der Washingtoner Prinzipien bezeichnet. Diese Prinzipien fordern die Rückgabe von Raubkunst an die rechtmäßigen Eigentümer oder deren Erben. In den letzten Jahren gab es bereits mehrere Rückgaben von Werken aus der Sammlung Hess, was das Bewusstsein für die Thematik der NS-Raubkunst schärft.
Im breiteren Kontext wird auch die Rolle der Provenienzforschung deutlich. Diese hat sich seit der Gründung der Kommission für Provenienzforschung im Jahr 1998 intensiviert. Sie widmet sich der Aufarbeitung und Erforschung von Kunstwerken, die während der Zeit des Nationalsozialismus geraubt wurden. Die Schriftenreihe der Kommission, die 2008 ins Leben gerufen wurde, präsentiert Forschungsergebnisse in zugänglicher Form und thematisiert unter anderem Rückgaben.
Die positive Entwicklung in Krefeld zeigt, wie wichtig es ist, sich mit der NS-Vergangenheit auseinanderzusetzen und gerechte Lösungen für das kulturelle Erbe zu finden. Durch solche Einigungen können die Fehler der Vergangenheit nicht ungeschehen gemacht werden, aber sie tragen zur Versöhnung und zum Respekt für die Kunst und deren Geschichte bei.