
Der Fall um einen pensionierten Polizisten aus Winterberg hat wegen schwerwiegender Vergewaltigungsvorwürfe eine große Öffentlichkeit erregt. Am Landgericht Arnsberg wird derzeit gegen den ehemaligen Mitarbeiter der Opferschutzorganisation „Weißer Ring“ verhandelt. Die Vorwürfe gegen ihn beziehen sich auf Taten, die im Jahr 2020 begangen wurden. Neun Frauen haben mittlerweile Anzeige erstattet und berichten von sexuellen Übergriffen, darunter auch Vergewaltigungen. Diese Frauen wandten sich an den „Weißen Ring“, um Hilfe und Unterstützung zu erhalten, fanden sich jedoch erneut in einer Situation sexualisierter Gewalt wieder. Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil vom 17. Dezember 2024 die Revision des verurteilten Beamten abgelehnt und die Strafe von drei Jahren und sechs Monaten, die das Landgericht Arnsberg am 2. April 2024 verhängte, bestätigt.
Die ersten Vorwürfe gegen den Polizisten wurden bereits 2019 erfasst, jedoch als nicht glaubwürdig eingestuft. Ein entscheidender Wendepunkt in diesem Fall war, als ein Opfer öffentlich über ihre Erfahrungen sprach und damit eine Kettenreaktion auslöste: Weitere Frauen meldeten sich mit ähnlichen Schilderungen. Diese berichteten nicht nur von Übergriffen während ihrer Beratungen, sondern auch von verbalen Belästigungen und Drohungen. Viele der betroffenen Frauen fühlen sich nicht ernst genommen und bemängeln, dass das „Sechs-Augen-Prinzip“, unter dem sie hätten betreut werden sollen, nicht zur Anwendung kam.
Änderungen bei „Weißer Ring“
Infolge der schockierenden Vorwürfe hat der „Weiße Ring“ seine Beratungsregeln bundesweit überarbeitet. So dürfen Opfer von Sexualstraftaten, häuslicher Gewalt oder Stalking nun ausschließlich von weiblichen Mitarbeiterinnen betreut werden. Alternativ wird die Betreuung nach dem „Sechs-Augen-Prinzip“ durchgeführt, um sicherzustellen, dass keine weiteren Übergriffe stattfinden. Der Leiter der Außenstelle Hochsauerlandkreis wurde von seinen Diensten entbunden, und gegen ihn wurde eine Strafanzeige aufgrund des Verdachts auf Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung eingereicht.
Der beschuldigte Polizist selbst hat die Vorwürfe weitestgehend zurückgewiesen. Am ersten Prozesstag legte er ein Teilgeständnis ab, in dem er angab, einer der Frauen Entspannungsübungen empfohlen zu haben. Diese Ausrede wirft jedoch Fragen auf, zumal der Angeklagte behauptet, versehentlich in den Intimbereich der Frau gelangt zu sein. Der Oberstaatsanwalt Thomas Poggel hat erklärt, dass die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen hat, einschließlich aussagepsychologischer Gutachten, um die Glaubwürdigkeit der Frauen zu überprüfen.
Gesellschaftlicher und rechtlicher Kontext
Die Vorfälle im Fall des „Weißen Rings“ sind Teil eines umfassenderen Problems, das in Deutschland in den letzten Jahren immer wieder auftaucht. Laut dem Bericht „Monitor Gewalt gegen Frauen – Umsetzung der Istanbul-Konvention in Deutschland“, veröffentlicht am 3. Dezember 2024, hat Deutschland erhebliche Anstrengungen unternommen, um geschlechtsspezifische Gewalt zu bekämpfen, doch die Realität zeigt oft ein anderes Bild. Der Bericht analysiert Entwicklungen von 2020 bis 2022 und dokumentiert die menschenrechtlichen Verpflichtungen, die aus der Istanbul-Konvention resultieren.
Opfer aus dem Fall des „Weißen Rings“ ziehen nun in Erwägung, rechtliche Schritte gegen die Organisation wegen unterlassener Hilfeleistung einzuleiten. Der Verein selbst hat bereits Fehler eingeräumt und Maßnahmen ergriffen, um künftige Verletzungen der Sicherheit und Integrität der Hilfesuchenden zu verhindern. Bereits im Jahr 2021 hatte der „Weiße Ring“ die Vorwürfe öffentlich gemacht und eine Website eingerichtet, auf der Informationen zu diesen Themen bereitgestellt werden.
In einem erschütternden Beispiel für das Versagen von Schutzsystemen bleibt die Diskussion um die angemessene Unterstützung von Opfern sexualisierter Gewalt in Deutschland weiterhin aktuell und notwendig. Der Fall verdeutlicht nicht nur die Versäumnisse einzelner Institutionen, sondern spiegelt auch die tiefgreifenden gesellschaftlichen Herausforderungen wider, die es zu bewältigen gilt.