
Lisa Poettinger, eine 28-jährige Lehramtsstudentin aus München, steht im Zentrum einer umstrittenen Entscheidung des bayerischen Kultusministeriums, das sie aufgrund ihrer politischen Aktivität nicht zum Referendariat am Gymnasium zulässt. Dieses sollte eigentlich am 17. Februar 2025 beginnen. Das Ministerium stuft Poettinger wegen ihrer Mitgliedschaft in den Gruppen „Smash IAA“ und „Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen München“ als Linksextremistin ein. Diese Gruppierungen wurden 2021 und 2023 vom Landesamt für Verfassungsschutz als linksextremistisch klassifiziert. Poettinger hat ihr erstes Staatsexamen erfolgreich bestanden und sieht sich nun mit den Konsequenzen ihrer politischen Überzeugungen konfrontiert.
Obwohl sich Poettinger als „Marxistin“ bezeichnet und aktiv an Protesten, unter anderem gegen die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) und rechte Gruppierungen, beteiligt, plant sie, gegen die Entscheidung des Kultusministeriums juristisch vorzugehen. Sie betont, dass sie sich nicht einschüchtern lassen werde. In ihrer Stellungnahme zum Fall bleibt sie bei den Positionen, die die Zulassung zum Referendariat gefährden könnten. Kultusministerin Anna Stolz hat klar gemacht, dass Personen, die nicht zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen, vom staatlichen Schuldienst ausgeschlossen werden.
Aktivismus und rechtliche Auseinandersetzungen
Die Leipziger Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Poettinger aufgrund eines Vorfalls, bei dem sie während eines Protests gegen den Braunkohle-Abbau in Lützerath Polizeibeamte angegriffen haben soll. Ferner ist sie bereits wegen der Beschädigung eines AfD-Wahlplakats ins Visier der Justiz geraten. Das Kultusministerium hat klargestellt, dass es sich bei der Ablehnung nicht um ein dauerhaftes Berufsverbot handelt. Lehrer können bis zum Alter von 45 Jahren verbeamtet werden. Dennoch bleibt der Fall von Poettinger ein aufschlussreiches Beispiel für die Anforderungen an Lehrer in Bayern, die nicht nur die fachliche Eignung, sondern auch die charakterliche Eignung und die Verfassungstreue nachweisen müssen.
Das Kultusministerium äußert sich bisher nicht öffentlich zu Poettingers Situation, die Fragen zur Freizeitgestaltung angehender Lehrkräfte aufwirft. Bewerber müssen einen Fragebogen zur Verfassungstreue ausfüllen, wobei bei Zweifeln das Landesamt für Verfassungsschutz eingeschaltet wird. Historisch gesehen gab es in Bayern bereits vergleichbare Fälle, jedoch sind sie sehr selten; in der Regel wurden bisher Bewerber wegen schwerwiegender Straftaten wie Kindesmisshandlung oder Drogenmissbrauch abgelehnt, nicht direkt aus politischen Gründen.
Kontext und historische Perspektive
Die Thematik erinnert an den Radikalenerlass, der in den 1970er und 1980er Jahren in Kraft war und viele Lehrkräfte aufgrund ihrer politischen Aktivitäten ausschloss. So wurde die Regelabfrage beim Verfassungsschutz 1991 abgeschafft, was das aktuelle Verfahren zur Verfassungstreue unerwartet macht. Gemäß dem bayerischen Kultusministerium sind diese Ablehnungen sehr selten und bedarf anhaltender Begründungen durch das Landesamt für Verfassungsschutz nach entsprechenden Anhörungen.
Ein Blick auf die Geschichte wirft Fragen auf, die bis zur Zeit des Nationalsozialismus zurückreichen. Beamte wurden in den Jahren nach 1933 aus politischen Gründen nicht nur entlassen, sondern auch nicht eingestellt, wenn sie nicht für das Regime eintraten. Der Ansatz zur Treuepflicht der Beamten wandelte sich von einer Form politischer Neutralität hin zu einem Gesinnungsrecht, das eine politische Inpflichtnahme verlangte. Historiker beschreiben diese Entwicklung als schleichend und ohne abrupte Veränderungen, was die Bedeutsamkeit der aktuellen Debatte um die Eignung von Lehrern in Bayern unterstreicht.
Poettinger wird am 31. Januar eine Pressekonferenz abhalten, um ihre Sichtweise auf die Situation zu erläutern. Die Reaktionen auf die Entscheidung des Kultusministeriums sind gemischt, wobei sie Unterstützung von linken Gruppen erhält, während liberale Politiker Kritik üben. Der Fall könnte weitreichende Folgen für die Diskussion über Verfassungstreue und die politische Neutralität von Lehrkräften in Bayern haben, was die soziale und politische Landschaft der kommenden Jahre prägen könnte.