Bonn

Die dunkle Geschichte der Kinderverschickungen: Ein Vortrag über Trauma und Aufarbeitung

In den Jahren zwischen 1950 und 1990 fanden in der Bundesrepublik Deutschland über zehn Millionen Kinder den Weg in sogenannte Erholungskuren. Diese Maßnahmen, die häufig medizinisch begründet wurden, führten bei vielen Kindern jedoch zu schweren Traumata und Misshandlungen. Laut einem aktuellen Bericht von der Stadt Bonn wäre es falsch, diese Zeit als unbeschwerte Ferien für die betroffenen Kinder zu betrachten.

Der Alltag in den Kureinrichtungen war geprägt von Härte und Demütigungen. Zwangsmahlzeiten, körperliche Strafen, Toilettenverbote und Medikamentenmissbrauch hinterließen tiefe seelische Narben. Viele Rückkehrer berichten von traumatischen Erlebnissen und noch immer leiden zahlreiche Betroffene unter den psychischen Folgen dieser Erfahrungen. Der Erste Vorsitzende des Vereins „Aufarbeitung Kinderverschickungen NRW e. V.“, Detlef Lichtrauter, welcher selbst 1973 im „Haus Bernward“ in Bonn-Oberkassel untergebracht war, spricht deutlich über die Problematik dieser Kuren. Am Montag, den 17. März 2025, hält er dazu einen Vortrag im Haus der Bildung in Bonn.

Erfahrungen und Misshandlungen

Die Berichte von ehemaligen „Verschickungskindern“ sind alarmierend. Ein eindrückliches Beispiel liefert Christa Schneider, die 1958 mit neun Jahren in das Kinderkurheim „Schloss am Meer“ auf Föhr geschickt wurde. Hier musste sie Abführmittel einnehmen und wurde nach einem Malheur isoliert. Die Zwangsmahlzeiten und körperlichen Demütigungen, die sie erlebte, sind kein Einzelfall, sondern Teil eines systematischen Missbrauchs, der in vielen Heimen dokumentiert ist. Laut dem Deutschlandfunk haben allein zwischen acht und zwölf Millionen Kinder diese Kuren durchlaufen.

Die Kuren, die von Ärzten verordnet und durch Kranken- und Rentenkassen finanziert wurden, hatten oft nicht den gewünschten gesundheitsfördernden Effekt. Stattdessen stellten sie ein System dar, in dem Kinder oft wie Objekte behandelt wurden. Eltern konnten ihre Kinder in Sammeltransporten schicken, in dem Glauben, dass die Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Gesundheit führen würden. In Wirklichkeit wurden viele Kinder jedoch Opfer körperlicher und seelischer Gewalt.

Aufarbeitung und Initiative

Die Aufarbeitung dieser Geschehnisse gestaltet sich schwierig. Während in einigen Bundesländern, wie etwa Baden-Württemberg, bereits Schritte in die Wege geleitet wurden, hat Nordrhein-Westfalen erst begonnen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen. Die Initiative Verschickungskinder wurde 2019 ins Leben gerufen und hat seitdem viel Aufmerksamkeit auf die Missstände in den Kureinrichtungen gelenkt. Tausende Betroffene haben ihre Erfahrungen geteilt, und erste wissenschaftliche Arbeiten deuten darauf hin, dass die Folgen dieser Kindheitserlebnisse weitreichend sind, sowohl gesundheitlich als auch sozial.

Anne Röhl, die eine der Initiativen gegründet hat, fordert nicht nur eine umfassende Aufarbeitung, sondern auch ehrlichere Informationen über die Geschehnisse in den Heimen. Der Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) zeigt sich offen für Gespräche und Zusammenarbeit mit der Initiative, um die Geschehnisse transparent zu machen und betroffenen Kindern von damals eine Stimme zu geben.

Das Thema ist für viele Betroffene noch immer ein Tabu, doch der Wille zur Aufarbeitung und das Bedürfnis nach Anerkennung der erlittenen Traumata wächst. Angaben deuten darauf hin, dass in den Kureinrichtungen über 20 dokumentierte Todesfälle bekannt sind, was die Dringlichkeit der Aufarbeitung nur verstärkt. Die folgende Frage bleibt: Wird es gelingen, die erlittenen Ungerechtigkeiten zu erkennen und angemessen zu adressieren?

Für den Vortrag am 17. März im Haus der Bildung wird eine Anmeldung empfohlen, um die Kursnummer 1404 anzugeben. Anmeldungen sind online unter vhs-bonn.de oder per E-Mail an vhsbonnde möglich.

Statistische Auswertung

Beste Referenz
bonn.de
Weitere Infos
deutschlandfunk.de
Mehr dazu
mitforschen.org

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